Hotel Freiheit ?

Also dann heißts ihr alle Fierling?
Wieso? Ich heiß Fierling. Die nicht.
Ich denk, das sind alles Kinder von dir?
Sind auch, aber heißen sie deshalb alle gleich?.
Der zum Beispiel heißt Elif Nojocki, warum,
sein Vater hat immer behauptet, er heißt Kojocki
oder Mojocki. Der Junge hat ihn noch gut im
Gedächtnis, nur, das war ein anderer, den er im
Gedächtnis hat, ein Franzos mit einem Spitzbart.
Aber sonst hat er vom Vater die Intelligenz
geerbt; der konnt einem Bauern die Hos vom
Hintern wegziehn, ohne daß der was gemerkt
hat. Und so hat eben jedes von uns seinen Namen.
Was, jedes einen anderen?
Sie tun grad, als ob Sie das nicht kennten. (1)


Doch, wir kennen das: Und dieses ganz normale Durcheinander ist es, mit dem sich TAM-TAM seit rund 1 ½ Jahren beschäftigt, spielerisch natürlich. Dabei probierten wir die verschiedensten Charaktere oder Rollen aus, improvisierten alltägliche oder ganz verrückte Situationen, schrieben kurze Textpassagen selbst. Doch die Texte sollten nicht das Übergewicht bekommen. So suchten wir nach Bildern. Wir spielten mit einfachen Elementen, mit Obstkisten, Tüchern, Stühlen, mit Licht, und bauten uns neue Welten.

Ein Stuhl! - Ein Turm aus Stühlen!
Ein Stuhlturm!
Ein Stuhlturm, wirklich?
Aber sieh doch!
Sieh doch?
Ja, er ist doch noch!
Er isst?
Nein! "Ist" wie war. (6)

Dazu erfanden wir dann kleine Geschichten. Dabei erschienen uns manchmal die alltäglichen Szenen vollkommen skuril, während surreale Stücke uns oft ganz selbstverständlich vorkamen, die Grenzen verschwammen immer mehr. Und die Schüler brachten Texte mit, die ihnen wichtig erschienen. Da gab es philosophische Fragmente, wie:

Ich antworte: Die Offenbarung hatte seine Vernunft geleitet
und nun zerlegt sie den einzigen Unermesslichen in mehrere Ermesslichere,
und gab jeden dieser Teile ein Wertzeichen.
Nein; sie wird kommen, die Zeit der Vollendung,
da der Mensch, je überzeugter sein Verstand
einer immer besseren Zukunft sich fühlet,
da er das Gute tun wird, weil es das Gute ist. (4)
Natürlich improvisierten wir auch zu diesen Texten und kamen zu Antworten, die uns selbst (wie hoffentlich auch den Zuschauer) verblüfften:
Ich verstehe nichts von all dem, was du sagst,
Genosse. Aber vielleicht bin ich ja nur ein
Mensch und kann deine übergöttliche
Bedrohung nicht erkennen. (6)
Aber diese Höhenflüge stoppten wir wieder unvermittelt:
Sagen Sie einfach, was Ihnen einfällt! Auch wenn es Blödsinn is.t
Ein Verrückter mit einem Kuchenzahn.
Jetzt spricht der Dichter aus Ihnen.
Machen Sie die Augen zu!
Beschreiben Sie, was Sie sehen! JETZT!
Die Wahrheit! Die Wahrheit ist wie eine Decke,
unter der man immer kalte Füße hat! (5)

Und immer wieder brach die Wahrheit, die Realität, heftig in unser Theaterspiel und unsere Stückentwicklung ein und wir bekamen kalte Füße. So zwang uns eine Darmgrippe bei unserer Theaterfahrt nach Blankenheim die Planung vollkommen umzustellen. Eine Aufführung vor Ostern wurde unmöglich. Das bedeutete wiederum, dass nun viele nicht mehr mitspielen konnten, weil sie inzwischen die Schule verlassen hatten oder keine Zeit mehr fanden. So mussten wir verzichten auf:
Thomas Breuer
Jona Iffland
Stefan Theilen
Thomas Riese
Daniel Geller
Isis Neuerburg
Liisa Pfeifer
Sonja Kirschbaum
Auf der anderen Seite kamen neue Schüler hinzu, die sich natürlich erst in die Gruppe und das Stück einfinden mussten. Erfreulicherweise erklärte sich Herr Petzke bereit, mich bei der Leitung der Gruppe zu unterstützen, so dass all das Auf und Ab, was unseren Weg bis zu Aufführung begleiten sollte, leichter zu ertragen war.
Schließlich setzten wir voller Optimismus den Termin der Aufführungen fest, so dass es kein zurück mehr gab, trotz aller Zweifel, die den einen oder anderen zwischendurch packten. Und dann schließlich der Kampf mit dem Bühnenbild, mit den vielen Metern Stoff und den langen Kletteraktionen auf dem Gerüst direkt unter der Auladecke, aber auch der Kampf mit dem Lernen der Texte (gleichzeitig mit dem Lernen für die verschiedensten Klausuren) und endlich noch mit dem Lampenfieber, das sich mit dem Herannahen der Aufführung immer mehr verstärkt.
Glauben Sie, dass er heute abend kommen wird?(2)
Das wird sich herausstellen, Sie werden schon sehen!

Roland Eschner


Texte:
(1) Bert Brecht
(2) Jean-Paul Sartre
(3) The Doors
(4) Gotthold Ephraim Lessing
(5) M. H. Kleinbaum
(6) TAM-TAM

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